TANT QUE la liberté de ta fille dépendra de l’éducation de mon fils, je serai féministe.
SOLANGE die Freiheit deiner Tochter von der Erziehung meines Sohnes abhängt, bin ich Feminist:in.
Am 20. September montiert die österreichische Künstlerin Katharina Cibulka ein rund 200 m2 großes, von Hand im Kreuzstich besticktes Gerüstnetz an die Außenfassade des FRAC Orléans, 88 rue du Colombier. Sie wurde vom interimistischen künstlerischen Leiter der FRAC Orléans, Jacques Bayle, eingeladen, ihre 30. Installation aus der internationalen SOLANGE-Serie in Orléans zu realisieren.
SOLANGE ist ein internationales partizipatives Kunstprojekt im öffentlichen Raum. Durch die überdimensionalen, mit pinkem Tüll im Kreuzstich applizierten Statements wird auf gender-basierte Missstände aufmerksam gemacht. Jeder Satz beginnt mit „Solange …“ und endet mit „… bin ich Feminist:in“. Das Spannungsfeld entsteht aus der Dynamik zwischen traditionell weiblich konnotiertem Handwerk und Männer-dominierter Baustelle. Jeder Installation geht ein partizipativer Prozess voran. Anlässlich der Nocturne Féministe (am 6. Juni 2024 im FRAC Orléans) fanden die Kick-off Tage statt: Die Künstlerin lud im Anschluss an ihre Vorträge und Workshops alle Interessierten aus der Region ein, ihre persönlichen SOLANGE-Sätze einzusenden.
Die Resonanz und das Themenspektrum waren groß: In rund 300 SOLANGE-Sätzen wurden u.a. der Gender-Pay-Gap, Unsicherheit bei Dunkelheit im öffentlichen Raum sowie Angst vor Übergriffen, die Bewertung von Körpern und Kleidungsstilen, einschränkende Schönheitsideale, sprachliche Abwertungen, überholte Rollenstereotype sowie Zusammenhänge von Patriarchat und Klimakatastrophe thematisiert. Ein Thema sprach sowohl dem SOLANGE- als auch dem FRAC-Team aus dem Herzen: Erziehung und Bildung sind die wirksamsten Hebel, um Bewusstsein zu schaffen und diskriminierendes Verhalten gar nicht erst entstehen zu lassen. Der SOLANGE-Satz Nr. 30 nimmt dieses zentrale Thema in den Fokus:
TANT QUE la liberté de ta fille dépendra de l’éducation de mon fils, je serai féministe.
SOLANGE die Freiheit deiner Tochter von der Erziehung meines Sohnes abhängt, bin ich Feminist:in.
„Welche Rollenbilder geben wir unseren Kindern mit und was haben diese für Konsequenzen? Die letzten Jahrzehnte haben wir unseren Töchtern beigebracht, dass sie auf Augenhöhe mit den Jungs sind. Wir haben sie empowered und ihnen Mut gemacht, einschränkende Geschlechter Klischees hinter sich zu lassen. Wichtig ist aber auch, in die Charakterbildung der Jungen zu investieren. Wir müssen unsere Söhne für Alltagssexismen sensibilisieren und ihre Wahrnehmung für Unterdrückungsmechanismen schärfen: Wo überschreite ich Grenzen von Mädchen, wo werde ich zum Komplizen von Belästigung, weil ich nichts sage? So lernen Burschen früh, Verantwortung zu übernehmen und sich an die Seite der Mädchen zu stellen. Respekt ist die Voraussetzung für Freiheit. Ein Umdenken beginnt bei unseren Kindern“, erläutert Katharina Cibulka ihre Gedanken zum SOLANGE-Satz.
Mädchen, Frauen und marginalisierte Gruppen können sich dann (angst)frei und unbeschwert im öffentlichen Raum bewegen, wenn Jungen und Männer deren Grenzen respektieren. Respekt beginnt mit der Sprache und endet in konkreten Taten. Die Überwindung von einschränkenden und destruktiven Rollenstereotypen liegt nicht allein in den Händen der Erziehungsberechtigten: Alle, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, profitieren davon, ihre eigenen Prägungen zu hinterfragen und nicht in die klassischen Rollenfallen zu tappen.
In welcher Welt wollen wir leben? Wie wünschen wir uns Gemeinschaft, Gesellschaft? Welche Prioritäten setzen wir? Um Herausforderungen wie Klimakrise, Kriege, Rechtsruck, Backlash etc. bewältigen zu können, brauchen wir dringend Gesellschaftsformen, die auf Gleichstellung, Empathie und Fairness fußen. Wir haben schlicht nicht mehr die Zeit, uns mit schwächenden Rollenklischees aufzuhalten. Je rascher wir sie überwinden, desto eher finden wir die gemeinsame Kraft, uns den großen Zukunftsthemen zu stellen. In diesem Sinne: Educate your sons and come join us in spreading equality!
Kooperationspartner:innen:
FRAC Centre-Val de Loire
Österreichisches Kulturforum Paris
Fotocredits: Katharina Cibulka, Ferdinand Cibulka, Tina Themel