SOLANGE wir uns Beulen an gläsernen Decken holen, bin ich Feminist:in.
SOLANGE WIR UNS BEULEN AN GLÄSERNEN DECKEN HOLEN, BIN ICH FEMINIST:IN
SOLANGE versteht sich als partizipatives feministisches Kunst-Projekt im öffentlichen Raum, bei dem Themen vor Ort aufgegriffen und in einem SOLANGE-Satz verdichtet werden. Inneruniversitär wurden Fragen rund um die Gleichstellung von Frauen im Wissenschaftsbereich erörtert und in einem ersten Pool von Satzvorschlägen gesammelt.
Dabei hat sich rasch ein Satz herauskristallisiert, der den sogenannten „glass ceiling effect“ an Universitäten zum Thema macht. Der Begriff der Gläsernen Decke, der ursprünglich aus den USA stammt, bezeichnet eine unsichtbare Barriere, auf welche die meisten Frauen im Laufe ihrer Karriere immer noch stoßen – so auch im universitären Bereich.
„An der Universität zu Köln zeigt sich anhand interner Aufzeichnungen ganz deutlich, wo diese unsichtbare Barriere zu verorten ist. Bis zur Promotion sind Frauen und Männer gleichauf, dann beginnt sich die Schere weit zu öffnen. Auf der Ebene der Professuren sind dann nurmehr 27% Frauen zu finden, die 73% Männern gegenüberstehen.“, so die Künstlerin. „Das kann wohl kaum mit mangelndem Talent, Wissen oder Ehrgeiz erklärt werden. Da spielen ganz andere Faktoren eine tragende Rolle.“
Hier stellen Universitäten aber keine Ausnahme dar. Die Karriere einer Frau endet in einer Vielzahl von Unternehmen meist auf der Ebene des mittleren Managements, auch wenn ihre Qualifikationen für Höheres sprechen würden. Männliche Mitarbeiter mit gleicher Qualifizierung hingegen klettern die Karriereleiter bis in die oberste Führungsebene hinauf.
„Wir beginnen unter ähnlichen Voraussetzungen, maturieren, studieren, schneiden oft sogar mit besseren Noten ab. Wir beginnen zu arbeiten, zu planen, Visionen für unser Leben zu entwickeln. Doch an gewissen Punkten bemerken wir plötzlich, wie uns männliche Kollegen überholen. Wir stellen fest, dass sie nicht nur mehr verdienen, sondern zusätzlich Firmenauto, Firmenhandy und Boni erhalten. Wir fragen uns: Was habe ich falsch gemacht? Habe ich etwas übersehen? Habe ich schlecht verhandelt? Wir beginnen, an uns zu zweifeln.“, beschreibt Katharina Cibulka ein Phänomen, das vielen Frauen nur allzu bekannt ist.
„Ganz offensichtlich gibt es Hürden, die man nehmen müsste, aber nicht sieht; Gläserne Decken, an denen wir uns Beulen holen, weil wir plötzlich dagegen stoßen, unvermutet. Niemand hat uns gewarnt, niemand hat uns darauf vorbereitet. Wir waren doch überzeugt, absolut gleichberechtigt zu sein!“
Die Gründe für die Schieflage sind vielschichtig und nicht immer leicht zu fassen. Vielfach werden männliche Kollegen von Personalverantwortlichen bei der Auswahl für höhere Positionen bevorzugt. Sie beziehen sich auf die familiären Verpflichtungen von Frauen und argumentieren, dass dadurch ihre Produktivität und ihr Engagement eingeschränkt werden. Selbstverständlich haben solche Argumente mit tradierten Rollenbildern zu tun, wenngleich sich durch einen Blick in den Alltag von Frauen eine klare Mehrfachbelastung nicht leugnen lässt. Diese wiederum hat mit der ungleichen Verteilung unbezahlter Arbeit – Stichwort care work, mental load – zu tun, wodurch sich der Kreis wieder schließt.
„Hätten Frauen nicht so viel um die Ohren, dann könnten sie – ähnlich den männlichen Kollegen – abends noch auf ein After-Work-Bier gehen und dort in entspannter Atmosphäre Karriereszenarien besprechen. Wie sollen Frauen netzwerken, wenn sie nach getaner Arbeit sofort zur Kita hetzen müssen?“, bringt Cibulka das Dilemma auf den Punkt.
„Wie also die Gläsernen Decken durchbrechen?“, lautet die zentrale Frage. Ein Ziel von SOLANGE ist, übergroß und leuchtend pink im öffentlichen Raum auf Missstände und Schieflagen aufmerksam zu machen. Der aktuelle Satz auf der Fassade der Universität soll in- und außerhalb der Institution Diskussionen in Gang bringen, für das Ungleichgewicht bei (universitären) Karrieren sensibilisieren und Denkanstöße für eine Neuorientierung liefern. Schließlich könne es nicht sein, dass man auf großartige Frauen und deren wissenschaftliche Exzellenz freiwillig verzichte, so die Künstlerin. Rahmenbedingungen müssten dahingehend verändert werden, dass eine Uni-Karriere mit einer Familie vereinbar sei – nicht nur für Männer. Frauen wiederum müssten daran arbeiten, sich selbstbewusst in Stellung zu bringen, statt darauf zu warten, dass ihre Arbeit gesehen und gewürdigt werde.
Dies bedeute jedoch nicht, dass es allein an den Frauen liege, die Gläsernen Decken zu durchbrechen: Männer müssten sich zuallererst Ihrer privilegierten Position bewusst werden, dann auf einen Teil ihrer Macht zugunsten von Frauen verzichten und ihnen die Türe zur Karriereleiter öffnen – unter anderem auch, indem sie Kolleginnen selbstverständlich in ihre Netzwerke einbeziehen.
„Veränderungen beginnen immer im Kopf. Wir alle reproduzieren, oft unbewusst, tradierte Rollenbilder. Darüber nachzudenken, mit anderen zu reden, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wenn Männer beginnen, ihren fairen Anteil an unbezahlter Arbeit zu übernehmen, ist schon einiges erreicht. Und wenn Frauen beginnen, die Gläsernen Decken zu zerschmettern statt sie zu putzen, sind wir einen großen Schritt weiter.“, meint die Künstlerin augenzwinkernd.
In diesem Sinn wird das pink bestickte Staubschutznetz seine Wirkung auf der Universität zu Köln voll entfalten: Come join us in spreading equality!
Kooperationspartner:innen:
Universität Köln, Grüngürtel
© Fotocredits: Katharina Cibulka, Inga Geise/ Universität zu Köln