N°25 Wastls-Haus, Ötztaler Heimat- und Freilichtmuseum, Ötztal
N°25 Wastls-Haus, Ötztaler Heimat- und Freilichtmuseum, Ötztal
N°25 Wastls-Haus, Ötztaler Heimat- und Freilichtmuseum, Ötztal
Juni 2022 - September 2023

SÖLONG a Weiwats dreimol sövl orbatet, obr dreimol mindar vrdiet, bin i Feminischt:in.

SOLANGE eine Frau dreimal so viel arbeitet, aber dreimal weniger verdient, bin ich Feminist:in.


SOLANGE ist ein gesellschaftskritisches feministisches Kunstprojekt, das stets Bezug auf den Ort und die Menschen nimmt, die dort leben. Ein erster Schritt ist das Sammeln von lokalen Themen bzw. aktuellen feministischen Fragestellungen.

 „Wir schreiben das Partizipative an SOLANGE groß und sind immer wieder überrascht, wie viele Satz-Vorschläge aus der Bevölkerung an uns herangetragen werden. Das Interagieren macht SOLANGE lebendig und stärkt den lokalen Bezug.“

Aus dem Pool an erarbeiteten SOLANGE-Sätzen hat sich ein Satz der Ötztalerin Helene Steger-Holzknecht herauskristallisiert, der wunderbar ins Ötztaler Heimat- und Freilichtmuseum passt, weil er sich nicht nur inhaltlich, sondern auch formal ins Umfeld einfügt.

 „Die Ötztaler Mundart ist im Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes Österreichs eingetragen. Es war also naheliegend, diesen SOLANGE-Satz im Dialekt zu formulieren.“

Das „dreimol sövl orbatn“ bezieht sich auf die Trias „Paid Work“, „Mental Load“ und „Care Work“ (Erwerbs-, Koordinations- und Pflegearbeit), die seit der Pandemie verstärkt in den Fokus geraten ist. Nicht nur wird die Lohnarbeit von Frauen in Österreich je nach Statistik, Berufsgruppe und Berechnungsart zwischen 20 und 50% schlechter bezahlt als die von männlichen Kollegen, sondern es kommt noch die schwer messbare unbezahlte und wenig gewertschätzte Arbeit, die Frauen leisten, dazu.

„Gerade der Mental Load begleitet uns Frauen und Mütter wie ein ständiges Hintergrundrauschen: Ich muss noch das Geburtstagsgeschenk für die Freundin der Tochter besorgen, den Zahnspangen-Termin für den Sohn ausmachen, den Elternsprechtag im Auge behalten, die Medikamente für den Schwiegervater aus der Apotheke holen etc. etc. Ich persönlich kenne kaum Männer, die sich diese Art Gedanken überhaupt machen müssen. Das ist nicht Arbeit im klassischen Sinn, beschäftigt uns aber in Gedanken täglich und lässt uns nachts schlecht schlafen. Wir gehen aus unserer bezahlten Arbeit hinaus, und das Gedankenkarussell beginnt sich zu drehen.“

Es ist ein Segen, dass es endlich eine Benennung dieser unsichtbaren Last gibt, die vor allem Frauen tragen und die sie in die Erschöpfung treibe.

Lückenlos schließt daran die „Care Work“ an, das Sich-Kümmern um und Sorgen für Kinder und Jugendliche und/oder ältere oder pflegebedürftige Verwandte. Auch diese Tätigkeiten finden im Verborgenen satt und werden auf keiner Bühne geehrt. „Gefühlsarbeit“, wie sie auch genannt wird, verbraucht enorm viel Energie und fordert vollen emotionalen Einsatz. Nicht zuletzt deshalb wird sie oft im Zusammenhang mit Burn-Out Symptomen genannt. Selbstverständlich gibt es Überschneidungen zwischen all diesen Arbeitsformen, aber auch in den Schnittmengen verdichten sich Diskriminierungsformen. Wer professionell im Bereich „Care Arbeit“ tätig ist, z.B. in Kindergärten, in Pflegeheimen, in Behinderteneinrichtungen … – und das sind sehr viele Frauen – wird auch dort schlechter bezahlt und führt nicht selten diese Arbeit zuhause unbezahlt weiter.

In ländlichen Gebieten werden nicht selten traditionelle Rollenbilder unhinterfragt weitervererbt:

„Im Grunde schupfen oft die Frauen den Laden, halten Betrieb und Familie mit unermüdlichem Einsatz am Laufen. In den Gremien und Vorständen sitzen dann aber die Männer und treffen die Entscheidungen. Kulturerbe schön und gut, aber auch die Ötztaler dürfen sich neuen Rollenbildern öffnen und lernen, dass letztlich alle von einer offenen und faireren Gesellschaft profitieren.“

Es gehe darum, gemeinsam Lösungen für die strukturellen Probleme zu finden, die uns alle betreffen. Die Aufgaben, gerade auch die unbezahlten, fair zu verteilen, führe zu mehr Verständnis und letztlich zu gesellschaftspolitischen Entscheidungen, die von einer breiten Basis getragen werden, sofern auch Frauen in entscheidenden Funktionen vertreten sind.

In diesem Sinn soll der SOLANGE-Satz in der Ötztaler Mundart nicht ins Museum, sondern an der Fassade des Wastls-Hauses alle Passant:innen ansprechen und zu lebendigen und fruchtbringenden Diskussionen anregen: Come join us in spreading equality!

Kooperationspartner:innen:
Edith Hessenberger und das Heimat- und Freilichtmuseum Ötztal

Vielen Dank an Helene Steger-Holzknecht für ihr schönes und berührendes Gedicht!

 

Sölonge

Sölonge mir moan es ischt olles selbschtvrständlach

Sölonge mir vör lauter Strudlen und Tudlen nit zen Denkn kemen

Sölonge mir dos wos mr denkn nit sogn

Sölonge mir mittöttlen mit ollan und jo nuicht oneggn

Sölonge a Weiwats dreimol sovl orbatet obr dreimol mindar vrdiät

Sölonge in Gemoanen und Kirchen lei Mander vöer dron is Sogn hobn

Sölonge –  wiä longe nö? – wern mr nit stille …. und Feminischt:innen sein

 

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© Fotocredits: Katharina Cibulka, Ferdinand Cibulka